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Dr. Anja Günther&Isabelle Vandre

Antrag 22/SVV/0285 Abrissmoratorium

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, als Gesellschafter alle Prozesse im Zusammenhang mit dem geplanten Abriss des Wohngebäudes am Alten Markt 10 – Staudenhof für ein Jahr auszusetzen.

Das Moratorium soll sowohl in Bezug auf den geplanten Auszug der Mieter:innen, als auch auf die geplanten Mietkündigungen in dem Wohngebäude gelten. Ferner ist die Arbeit des Quartierstreff Staudenhof für die Dauer des Moratoriums sicherzustellen.

Die Stadtverordnetenversammlung beauftragt den Oberbürgermeister zudem mit der Neubewertung des geplanten Abrisses des Staudenhofs. Zu diesem Zweck wird der Oberbürgermeister gebeten, bis zum Ende des Moratoriums im April 2023 der Stadtverordnetenversammlung eine Bewertung der wirtschaftlichen und ökologischen Folgekosten der Optionen „Abriss“ und „Sanierung“ vorzulegen. Dabei ist insbesondere auf die durch den Bund in Aussicht gestellten Änderungen zur Förderung ökologischer Bauvorhaben/ Sanierungen einzugehen.

Begründung

Die Wohnraumsituation in Potsdam spitzt sich weiterhin zu. Bestehenden und verfügbaren Wohnraum jetzt abzureißen, ist nicht vermittelbar und unverantwortlich.

Die LHP hat am 09.03.2022 mitgeteilt: Die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine in Potsdam stößt bereits an die Kapazitätsgrenze: Die von der Stadtverwaltung in Hotels und Pensionen angemieteten 550 Plätze sind allesamt belegt.

Im Wohngebäude Am Alten Markt 10 – Staudenhof sind Wohnungen verfügbar und wie die LHP bestätigte, würden diese verfügbaren Wohnungen bei der Entschärfung der Unterbringungsfragen zumindest teilweise helfen.

Daher soll der geplante Abriss des bezugsfähigen Wohngebäudes zur Wiederherstellung der Potsdamer Mitte zugunsten der akuten Wohnraumbedarfs von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine als auch für geflüchtete Ortskräfte aus Afghanistan ausgesetzt werden. „Die Mitte kann warten, Menschen ohne Unterkunft nicht.“ (Zitat: H. Kramer, PNN vom 08.03.2022)

Ebenfalls ist das Quartierstreff im Staudenhof zu einem der Hauptansprechorte für geflüchtete Ukrainer geworden. Neben Essen, Beratung und Vernetzung wird auch eine psychologische Beratung angeboten. Dieses umfangreiche und ortsnahe Angebot kann mit dem geplanten zeitnahen Auszug des Quartierstreff Staudenhof in Potsdam nicht ersetzt werden.

Das Ziel eines klimaneutralen Wohnungsbestands im Jahr 2050 ist nur durch Erhalt und Solarisierung von Bausubstanz erreichbar. (Quelle: Ökologisch Bauen & Renovieren 2018, BUND)

Die ProPotdam hat mehrfach bestätigt, dass die Sanierung die ökologisch bessere Variante darstellt.

Die Auswirkungen der Beschlusslage zum ökologischen Bauen und Sanieren der LHP (DS 21/SVV/0630) auf das Bauvorhaben sollen insbesondere mit dem Fokus auf eine Gebäudesanierung geprüft und dargestellt werden. Dabei soll der Lebenszyklus des Gebäudes, im Sinne der Gesamtökobilanzierung, die Graue Energie (= die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes benötigte Energie) betrachtet werden.

Eine Neubewertung der ökologischen und ökonomischen Abriss- und Neubaupläne ist auch deshalb geboten, weil die Bundesbauministerin Ende 2021 ankündigte, im Rahmen der Sozialen Wohnraumfördermittel eine Milliarde zusätzlich zur Verfügung stellen zu wollen, um die Klimaziele auch in der Baubranche stärker zu berücksichtigen. An einer Konkretisierung der Fördervorhaben fehlt es jedoch bisher. Ein den Abriss aufschiebendes Moratorium böte daher die Möglichkeit, nach Veröffentlichung der Förderkonditionen die Pläne für den Staudenhof neu zu bewerten.

Die Unwägbarkeiten gerade bei Neubauvorhaben nehmen stetig zu, v.a. durch die unkalkulierbaren Baukostensteigerungen für Baustoffe, Baustoffe- und Fachkräftemangel.

Wie das BKI – das Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern (BKI) schon im Herbst 2021 mitgeteilt und dringend empfohlen hat, müssen bei der Objektplanung und insbesondere bei der Kostenplanung die aktuellen Entwicklungen berücksichtigt werden. Auf der Grundlage eines Kostenrahmens oder einer anderen frühen Kostenermittlung reicht es nicht mehr, Kostenvergleiche durchzuführen und Kostendaten zu indexieren.

Das Aufstellen einer Kostenprognose mit einer realistischen Einschätzung der Kosten zum Abschluss des Projekts ist auf jeden Fall anzuraten. Bauherr*innen sollen auf dieser Grundlage prüfen, ob das Projekt, auch bei höheren Kosten, finanzierbar ist.

Anfang Oktober 2021 hat das Statistische Bundesamt die Baupreisindizes für Wohngebäude und Straßenbau veröffentlicht und dabei den stärksten Anstieg der Baupreise seit 51 Jahren ermittelt. Diese Preisentwicklung für den Neubau von Wohngebäuden im August 2021 von 12,6 Prozent binnen Jahresfrist ist das Ergebnis der stark gestiegenen Baumaterialpreise, so die Einschätzung, des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.

Auch unter der Annahme, dass die Baukosten sowohl bei einer Sanierung als auch einem Abriss und Neubauvorhaben prozentual gleichermaßen steigen, geht doch die Schere bei den absoluten Kosten stark auseinander. Für das Bauvorhaben Staudenhof wurde ca. 20 Mio. Euro für die Sanierung und ca. 40 Mio. Euro für den Abriss und Neubau angesetzt. Diese Differenz von ca. 20 Mio. Euro steigt entsprechend der Baukostensteigerung an und beträgt heute ca. 25 Mio. Euro.

Daher sollte die vorliegende, vergleichende Wirtschaftlichkeitsberechnung neu berechnet und bewertet werden.


Kleine Anfragen in der SVV