Diese Website verwendet Cookies.
Zum Hauptinhalt springen
Richtigstellung der Zitatquellen zu meinem Text "Sozialistische Treue."

Lieber Wolfgang Preller,

ich danke die für die Richtigstellung der Zitatquellen zu meinem Text "Sozialistische Treue."

Ich gebe zu, ich bin ein schusseliger Mensch und der Programmentwurf der SPD in dem von Dir genanntem Jahre war nicht das Programm aus dem selben Jahre, sondern nur dessen Entwurf. Du schlägst vor, man sollte sich treffen und das denke ich auch. Mit anderem Schwerpunkt als Marx meine ich nämlich, dass es der Diskurs über die Wahrheit ist, der in Auseinandersetzung mit dem Sein das Bewusstsein formt, dass dann Geschichte gestalten darf. Wenn wir also ein ganz klein wenig Geschichte gestalten wollen, dann müssen wir wohl mehr diskutieren, als dogmatische Marxisten es früher taten. Das führt zu Deiner Feststellung, dass es weder Marxisten, noch den Marxismus gibt, sondern nur die Suche nach der möglichen Erkenntnis, absolut nicht im freien Raum, sondern unter Zuhilfenahme dialektisch-materialistischer Theorien, aber eben auch nicht in scholastischer Treue zu einer marxistischen reinen Lehre. Das sind wir uns sicher einig.

Nun zu Deiner inhaltliche Kritik. Wenn nicht einmal Marx Marxist sein wollte, dann muss man die Texte der Väter des Marxismus zwar richtig zitieren, aber man darf sie durchaus auch interpretieren. Die Warnung von dem rohen Kommunismus ist in meinen Augen tatsächlich eine Warnung vor einem ineffizienten ökonomischen Aufbau. Warum? Wenn es einen einheitlichen Kapitalisten (Staat) gibt, der für die weiter entfremdete Arbeit ein einheitliches Salär auszahlt, dann ermöglicht das zwar ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit, bedeutet aber gleichzeitig den Verzicht auf eine wichtige Entwicklungstriebfeder des Kapitalismus: die Konkurrenz zwischen den Kapitalisten. Der einheitliche Kapitalist ist außerstande zur Markt-Schizophrenie. Er kann den harten Kampf um neue technische Verfahren, neue Produkte, neue Strategien zu deren Vermarktung nicht in sich selbst abbilden. Der einheitliche sozial denkende Kapitalist (Staat) bleibt daher wissenschaftlich-technisch zurück. Weil auch die sozialen Früchte, die schließlich aus diesem ökonomischen (Fehl)aufbau gewonnen werden müssen, spärlicher und madig werden, kann der einheitliche Kapitalist nicht einmal seine sozialen Versprechen noch ausreichend erfüllen. Ich meine genau so ist der realexistierende Staatssozialismus gescheitert, den ich einen Staatskapitalismus nennen möchte. Er hat es nicht vermocht, qualitativ neue Triebkräfte hervorzubringen, die das brutale System der kapitalistischen Konkurrenz durch ein humanes Wetteifern zu ersetzen, wie auch immer dieses Ziel hätte erreicht werden können. Dummerweise befindet sich die ungefähre Handlungsanleitung zu diesem System (und seinem Scheitern) auch in einem Marx/Engel-Text, dem wohl berühmtesten, dem Manifest der kommunistische Partei. Du selbst hast ja schon hingewiesen auf die Paradigmenwechsel im Denken von Marx und Engels. Man müsste eben diskutieren, welche Teile dieses Denkens falsch und welche richtig uns ausbauwürdig sind.

Warum habe ich das Engelszitat nach dem Wort "Republik" beendet (und dies durch runde Klammern auch gekennzeichnet.) War es in meinem Kontext wirklich wichtig, dass noch eine Monarchie erwähnt wird, wenn diese eben gerade eine konstitutionelle war? War es wichtig, um welche konkreten Länder es Engels zu dieser Zeit ging? War es wichtig, dass er die SPD im weiteren Zitat dafür kritisierte, dass sie annahm, sie könnte in der Hohenzollern-Monarchie von den selben Rahmenbedingungen, wie in England und Amerika ausgehen, wenn sie einen friedlichen (demokratischen) Weg zum Sozialismus einschlagen wollte?

Oder ging es Engels um etwas ganz anderes, das sehr wohl wichtig war: Die Revolution ist eben unnötig, wenn es demokratische Institutionen gibt, die es der Arbeiterklasse gestatten, ihren Mehrheitswillen gegen die Partikularinteressen des Kapitals in einer Demokratie zu setzen. Die "Diktatur des Proletariats" - darum meine ich, ging es Engels - ist eben einfach nur die "Herrschaft des Proletariats", die sich auch in einer parlamentarischen Demokratie entfalten kann - wenn diese nur gegeben ist. Im Deutschland von Friedrich Engels war sie es nicht, heute existiert sie: die demokratische Republik. Die DDR aber war keine demokratische Republik, sie hieß nur so. Die DDR war ein System des einheitlichen Kapitalisten und damit gezwungen, die ökonomischen Ineffizienzen, die sich aus diesem Aufbau ergaben durch die Abwesenheit echter Demokratie abzusichern. Die weitaus bessere Absicherung hätte in der sozialen und wirtschaftliche Zufriedenheit der Bewohner gelegen, die dem jungen Staat in freien Wahlen immer wieder eine echte Legitimation hätten verschaffen können. Bei diesen Wahlen hätte natürlich immer wieder der sozialistische Weg auf dem Spiel gestanden. Es hätte echte bürgerliche Parteien in einer echten Kammer des Volkes gegeben. Für die SED hätte es dann darum gehen müssen, zu beweisen, dass der von ihr gewählte Weg in die freie Assoziation der Werktätigen funktioniert. Es hätte - meines Erachtens um einen Prozess gehen müssen, bei dem in Volk und Partei(en) frei diskutiert wird, welche konkreten Schritte in gerade tauglich sind, gerade zielführend wirken. Dieser Prozess - den das kommunistische Manifest (mit anderen Zielvorstellungen) an anderer Stelle auch als echten Prozess beschreibt - hat aber nicht stattgefunden.

Jetzt stehen wir wieder am Anfang. Eine Diskussion, die früher nicht zu führen, meines Erachtens der Anfang vom Ende war, kann heute geführt werden für einen neuen Anfang. Diesem Zweck diente mein Artikel und die darin enthaltenen Interpretationen der Texte.

Paul Pikus